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Acht ESG-Vorschriften mit Auswirkungen auf viele Unternehmen

Hinter der Abkürzung ESG (Environment, Social and Governance) verbirgt sich weit mehr als nur ein wertorientierter Ansatz für die Unternehmenssteuerung. ESG-Aspekte fließen weltweit zunehmend in gesetzliche Anforderungen an die Wirtschaft ein.

Das Schlagwort ESG (Environmental, Social and Governance) verbreitet sich derzeit weltweit in den Unternehmenszentralen. Es wäre leicht, dieses Akronym als eine weitere Modeerscheinung abzutun, aber ESG ist einen genaueren Blick wert, da es dabei um Daten und nachprüfbare Fakten geht.

Der Fokus auf messbare Ergebnisse unterscheidet ESG von CSR (Corporate Social Responsibility), einem Begriff, der schon länger auf dem Markt ist und oft synonym verwendet wird. CSR bezieht sich auf „Aktivitäten oder Spenden, die ein Unternehmen freiwillig unternimmt, um der Gemeinschaft und/oder der Umwelt etwas zurückzugeben“, erklärt der kanadische ESG-Softwareanbieter Novisto. Die Maßnahmen haben oft den Imagegewinn bei den Mitarbeitenden und der Öffentlichkeit zum Ziel.

Im Gegensatz dazu „besteht das Hauptziel der ESG-Berichterstattung und -Offenlegung oft darin, den Informationsbedarf von Kapitalgebern und wichtigen Interessengruppen zu befriedigen“, so Novisto. „Darüber hinaus ist die ESG-Berichterstattung in vielen Teilen der Welt für zahlreiche Arten von Unternehmen nicht mehr freiwillig: Sie ist ein Akt der Compliance.“

Die ESG-Berichterstattung kann sich zum Beispiel auf Kennzahlen wie Treibhausgasemissionen, Wasserverbrauch, Naturnutzung, Mitarbeiterbindung, Gesundheits- und Sicherheitsvorfälle oder Diversitätsquoten beziehen. Diese und viele andere Faktoren genau im Auge zu behalten, kann die Gewinne eines Unternehmens erhöhen und stärkt seine rechtliche Position im Falle von Konflikten.

Ein Schlüsselereignis für den Aufstieg von ESG zu einem wichtigen Compliance-Thema war die Unterzeichnung des Pariser Klimaschutz-Abkommens im Jahr 2016. Regierungen fühlen sich nun stärker unter Druck gesetzt, zu handeln und auf Unternehmen aller Größenordnungen einzuwirken. Neben dem Klimawandel werden auch Themen wie Menschenrechte und Umweltverschmutzung immer häufiger angesprochen.

Die folgenden acht Verordnungen sind in der Europäischen Union bereits in Kraft getreten - oder werden in einem Fall gerade vorgeschlagen. Sie betreffen jedes Unternehmen, das in der EU tätig ist oder Produkte und Dienstleistungen für EU-Unternehmen anbietet.

Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (SFDR)

Die Verordnung (EU) 2019/2088 der Europäischen Union legt Transparenzanforderungen fest, die zur Bewertung des Nachhaltigkeitsgrads eines Finanzprodukts herangezogen werden können. Die SFDR richtet sich unter anderem an folgende Finanzprodukte: Portfolios, die von Kreditinstituten oder Wertpapierfirmen verwaltet werden, Alternative Investmentfonds (AIF), Versicherungsanlageprodukte (Insurance-based Investment Products, IBIP) sowie bestimmte Altersvorsorgeprodukte.

Technische Regulierungsstandards für die SFDR (SFDR RTS)

Die technischen Regulierungsstandards (Delegierte Verordnung (EU) 2022/1288 der Kommission) legen den Inhalt, die Methodik und die Organisation der Informationen fest, die im Rahmen der EU-Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzprodukte (s. oben) veröffentlicht werden. Die Standards sind seit dem 1. Januar 2023 in Kraft.

EU-Taxonomie für nachhaltige Aktivitäten

Die EU-Taxonomie ist ein Klassifizierungssystem, das eine Liste von ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten erstellt. Sie soll Unternehmen, Investoren und politischen Entscheidungsträgern dabei helfen, festzustellen, welche wirtschaftlichen Aktivitäten in die Kategorie „grün“ fallen. „Auf diese Weise soll sie Sicherheit für Investoren schaffen, private Anleger vor Greenwashing schützen, Unternehmen helfen, klimafreundlicher zu werden, die Marktfragmentierung abschwächen und dazu beitragen, Investitionen dorthin zu lenken, wo sie am dringendsten benötigt werden“, erklärt die EU. Die Taxonomie-Verordnung trat am 12. Juli 2020 in Kraft, gefolgt von delegierten Verordnungen, die weitere Einzelheiten festlegen.

„Die EU-Taxonomie dürfte also für Betriebe aller Größenkategorien einen erheblichen Aufwand mit sich bringen“, schreibt die Deutsche Industrie- und Handelskammer. „Auch kleine und mittlere Unternehmen werden immer öfter Daten zur eigenen Nachhaltigkeit vorlegen müssen und sind gut beraten, sich möglichst frühzeitig mit der eigenen Klima- und Umweltbilanz zu beschäftigen. Zudem sollte eine Verbesserung dieser Bilanz hin zu einer stärkeren Klimaneutralität in den Fokus rücken, denn perspektivisch ist zu erwarten, dass sie den Zugang zu Finanzierungen und Konditionen bestimmen wird.“

Delegierte Verordnung (EU) 2021/1257 (zur Änderung der Versicherungsvertriebsrichtlinie)

Im August 2022 wurde die EU-Richtlinie über den Versicherungsvertrieb (IDD) geändert, um – unter anderem – Nachhaltigkeitsfaktoren in das Management der Risiken und Produkte von Versicherern zu integrieren. „Die Einhaltung der neuen Regeln ist keine leichte Aufgabe“, warnt die Anwaltskanzlei Arendt & Medernach. Die Versicherungsunternehmen müssten ihr gesamtes Product-Governance-System überprüfen, um sicherzustellen, dass bei jedem Schritt der Produktentwicklung, -genehmigung und -prüfung sowohl die Auswirkungen des Produkts auf Nachhaltigkeitsfaktoren als auch die Nachhaltigkeitsziele der Kunden berücksichtigt werden. Darüber hinaus müssten sie auch „sicherstellen, dass die an diesen Prozessen beteiligten Mitarbeiter angemessen geschult sind, um die relevanten Nachhaltigkeitsüberlegungen zu verstehen und umzusetzen“, schreiben Arendt & Medernach.

Richtlinie zur nichtfinanziellen Berichterstattung (CSR-Richtlinie oder NFRD)

Mit der Verabschiedung der Richtlinie 2014/95/EU über die Offenlegung nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen (auch als CSR-Richtlinie oder NFRD bezeichnet) begann die EU ihren Weg in Richtung größerer Unternehmenstransparenz und Rechenschaftspflicht in Bezug auf soziale und ökologische Fragen. Im Jahr 2019 kündigte die Kommission ihre Absicht an, die CSR-Richtlinie gemeinsam mit relevanten Interessengruppen zu überprüfen. Dieser Prozess führte zur Umsetzung der Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) im Januar 2023 (s. unten). Die mit der CSR-Richtlinie eingeführten Regeln bleiben in Kraft, bis die Unternehmen die neuen Regeln der CSRD anwenden müssen.

Gemäß CSR-Richtlinie müssen große Unternehmen Informationen über Umweltfragen, die Behandlung von Mitarbeitern, die Achtung der Menschenrechte, Korruptions- und Bestechungsbekämpfung und Diversität in den Unternehmensberichten veröffentlichen. Diese Berichterstattungsvorschriften gelten für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten, d.h. für rund 11.700 große Unternehmen und Konzerne in der EU, darunter börsennotierte Unternehmen, Banken, Versicherungen und andere Unternehmen, die von den nationalen Behörden als Unternehmen von öffentlichem Interesse eingestuft werden.

Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD)

Am 5. Januar 2023 trat die Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen in Kraft (Richtlinie (EU) 2022/2464). Sie verschärft die Regeln für die sozialen und ökologischen Informationen, die Unternehmen berichten müssen. Im Vergleich zur CSR-Richtlinie sind nun mehr große Unternehmen sowie börsennotierte KMU verpflichtet, über Nachhaltigkeit zu berichten. Einige Unternehmen müssen die neuen Regeln zum ersten Mal im Geschäftsjahr 2024 anwenden – für Berichte, die im Jahr 2025 veröffentlicht werden. Die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) verpflichtet Unternehmen zu einer Prüfung der von ihnen berichteten Nachhaltigkeitsinformationen. Darüber hinaus schreibt sie die Digitalisierung von Nachhaltigkeitsinformationen vor.

Corporate Sustainability Due Diligence (CSDD)

Unternehmen müssen zunehmend nicht nur für ihr eigenes Verhalten, sondern auch für das ihrer Zulieferer Rechenschaft ablegen. Eine Initiative in diesem Sinne ist die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDD), die von der EU-Kommission im Februar 2022 vorgeschlagen wurde. „Die neuen Regeln werden sicherstellen, dass die Unternehmen die negativen Auswirkungen ihres Handelns berücksichtigen, auch in ihren Wertschöpfungsketten innerhalb und außerhalb Europas“, erklärte die Kommission. Noch ist nicht klar, wann die Richtlinie in Kraft treten wird, denn das Europäische Parlament und der Rat müssen den Vorschlag zunächst genehmigen. Nach der Verabschiedung haben die Mitgliedsstaaten noch zwei Jahre Zeit, sie in nationales Recht umzusetzen. Einige Länder haben jedoch bereits damit begonnen, dies zu tun.

Deutsches Lieferkettengesetz

Frankreich, die Niederlande und Deutschland sind Vorreiter bei der Verschärfung der Vorschriften für die globalen Lieferketten der Unternehmen. Der Nachweis von Kinderarbeit oder anderen ethisch nicht tragbaren Produktionsbedingungen in Drittländern war für Unternehmen zwar schon immer mit einem erheblichen Imageschaden verbunden, aber jetzt sorgen die ersten nationalen Gesetze dafür, dass auch rechtliche Konsequenzen drohen. Das deutsche Lieferkettengesetz, das im Januar 2023 in Kraft trat, soll die Rechte von Menschen schützen, die Waren für den deutschen Markt produzieren. Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden müssen nun die Einhaltung der Menschenrechte in ihrer gesamten Lieferkette sicherstellen. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer sieht aufgrund des Gesetzes nicht nur mehr Bürokratie, sondern auch Haftungsrisiken bei Rechtsunsicherheit auf die Wirtschaft zukommen.

Was bedeutet das alles für die Versicherungsbranche?

Die gute Nachricht für Versicherer ist, dass sie im Allgemeinen nicht für Verstöße ihrer Kunden gegen diese Vorschriften verantwortlich gemacht werden können. Um gesetzeskonform zu handeln, ist es nicht notwendig, den Wahrheitsgehalt von Kundenangaben zu prüfen, da dieser Aufwand nicht leistbar wäre.

Allerdings müssen die Versicherer selbst die Vorschriften einhalten. Darüber hinaus ist es sinnvoll, ESG-Themen mit den Kunden zu besprechen, denn die Einhaltung der Vorschriften hilft ihnen, kritische Geschäftsrisiken zu verringern. Eine genauere Betrachtung der ESG-Strategie ist daher oft gerechtfertigt, auch wenn sie für die Versicherer nicht verpflichtend ist. In vielen Fällen wird es auch ratsam sein, Bescheinigungen zu verlangen oder Ausschlussklauseln in die Policen aufzunehmen.

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